„Sechsjährige (oder auch achtjährige oder…), die noch nie in der Schule waren, können ja wohl kaum entscheiden, dass sie dort nicht hinwollen. Sie wissen ja schließlich nicht einmal, wie es dort ist! Wenn Kinder das äußern, dann doch nur, weil ihre Eltern das so wollen!“

Diesen Satz habe ich schon mehr als häufig zu hören bekommen. Doch was ist dran?

Zunächst einmal finde ich es so schade, dass jungen Menschen derartige Unterstellungen gemacht werden und ihren Eltern dazu!

Bei uns war das so:

Als unsere Tochter im Alter von 3 Jahren klar und deutlich sagte, sie möchte nicht zur Schule gehen, hatte sie keinerlei negative Gespräche darüber gehört. Sie hatte weder große Geschwister noch andere ältere Verwandte oder Freunde, die darüber negativ berichteten. Und für uns Eltern war Schule in diesem Alter noch gar kein Thema. Und dennoch äußerte sie sich klar. 

Das spannende ist, was danach passierte. Sie besuchte zeitweise einen Kindergarten und dort wurde ihr Schule natürlich schmackhaft gemacht. Sie durfte in die Vorschule und lauter Dinge machen die nur die „Großen“ dürfen. Das hat sie völlig kalt gelassen. Die Vorschule empfand sie als Bevormundung. Eine Schultüte wollte sie nicht basteln. Die Erzieherin gab sich wirklich Mühe, suchte nach schönen Motiven und Farben, doch unsere Tochter interessierte es nicht. 

Und heute? Will sie immer noch nicht?

Wir sprechen auch heute immer wieder neutral davon, wie Schule ist. Und fragen sie immer wieder ehrlich, ob sie es probieren möchte. Auch, ob sie bereit wäre, sich die Schule einfach mal anzusehen.

Doch ihre Ansage bleibt klar: Nein! Das will ich nicht. Und ich möchte nicht dazu gezwungen werden!

(Edit: Sie sagt im September 2022, dass sie die Schule mal ansehen möchte. Selbstverständlich ermöglichen wir ihr das und unterstützen sie dabei. Auch das gehört zur selbstbestimmten Bildung!)

Nun ist meine Frage:

Ab wann bitte dürften wir ein NEIN von Kindern akzeptieren? Und wann nicht? 

Letzteres sollte meiner Meinung nach nie der Fall sein. (Im Grunde sind wir per Gesetz als Eltern verpflichtet, das Nein zu akzeptieren.)

Wenn wir wollen, dass unsere Kinder aus vollem Herzen JA sagen, dann müssen wir auch ihr NEIN akzeptieren!

Wie herabwürdigend und übergriffig es sich anfühlt, wenn das eigene „Nein!“ nicht akzeptiert wird, erfahren wir, wenn wir uns selbst in die Lage versetzen. Stell dir vor, du würdest gezwungen werden, dir einen Rugby Verein anzusehen, obwohl du klar Nein sagst? Und wie fühlst du dich, wenn man dir unterstellt, du wüsstest nicht, was dir dort entgeht, wenn du es nicht wenigstens mal (zwangsweise) probieren würdest? 

Ich bin ehrlich und ganz sicher der Überzeugung, dass wir das „Nein“ unserer Kinder zu etwas wirklich hören und akzeptieren müssen. Denn hinter diesem „Nein“ steckt ein Bedürfnis. Dieses Bedürfnis zu übergehen ist grob übergriffig, herabwürdigend und beleidigend. Es verletzt das Selbstwert- und Selbstwirksamkeitsgefühl junger Menschen und hinterlässt tiefe emotionale Wunden. 

Ein „Nein“ zu dir, zu einer Institution, zu einer Einrichtung, ist in Wirklichkeit ein deutliches „Ja“ zu sich selbst. Zu den Bedürfnissen des jungen Menschen, zu seinen Interessen, Begabungen und Talenten. Ein „Ja“ zu seinem Recht auf Selbstbestimmung. 

Schulverweigerung ist nicht gleich Lernverweigerung

Ein „Nein“ zum Besuch einer Schule ist nicht ein „Nein“ zum Lernen, zu Bildung und zu anderen Menschen. Es ist vielmehr ein „Ja“ zu einer freien Wahl der Bildung, des Bildungsortes und der Umgebung. Ganz im Einklang mit sich selbst und dem eigenen Streben nach Entwicklung und Entfaltung.